10 zentrale Fragen, die PE vor dem Einstieg in Nischenmärkte stellen muss

Ein Interview mit Ron Spicker, Industry Lead und Head of Iberia bei P4i

Private-Equity-Investoren setzen zunehmend auf Nischenmärkte – Sektoren, die auf den ersten Blick klein wirken, aber mit der richtigen Strategie überproportionale Renditen ermöglichen.

10 zentrale Fragen, die PE vor dem Einstieg in Nischenmärkte stellen muss

Warum der Schub? Nischen bieten oft verteidigungsfähige Positionen, höhere Margen und Konsolidierungsmöglichkeiten. Gleichzeitig bergen sie Risiken: begrenzte Skalierung, Abhängigkeit von wenigen Kunden und regulatorische Hürden, die sich über Nacht ändern können.

Um den richtigen Ansatz zu beleuchten, sprachen wir mit Ron Spicker, Industry Lead und Head of Iberia bei P4i, der 10 zentrale Fragen teilt, die jedes PE-Haus vor einem Einstieg in einen Nischenmarkt stellen sollte.

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Interview

Warum rücken Nischenmärkte stärker in den Fokus von Private Equity?

Ron Spicker: In den letzten zehn Jahren haben sich Investoren von breiten, stark umkämpften Märkten hin zu hochspezialisierten Sektoren bewegt. Nischen sind häufig fragmentiert – das schafft Chancen, zu konsolidieren, zu professionalisieren und zu skalieren. Margen können stark sein, gerade weil der Wettbewerb begrenzt ist und Kundenbeziehungen tief gehen.

Wie erkennen PE-Häuser, ob eine Nische skalierbar ist – oder zu begrenzt?

Ron Spicker: Der erste Schritt ist Market Sizing – nicht nur den heutigen Umsatzpool ansehen, sondern das künftige Wachstum. In fragmentierten Branchen, z. B. bei spezialisierten Medizintechnik-Nischen in Zentraleuropa, kann grenzüberschreitende Konsolidierung schnell Skalierung bringen. In technologielastigen Nischen wie Cybersecurity erweitern neue Regulierungen oder Innovationszyklen die Addressable Market oft schneller als erwartet. Der Unterschied zwischen „klein und bleibt klein“ und „klein, aber schnell wachsend“ liegt häufig darin, ob das Geschäftsmodell in angrenzende Märkte oder Regionen expandieren kann.

Welche Rolle spielen Kundenkonzentration und Abhängigkeit im Risikoscreening?

Ron Spicker: Kundenkonzentration prüfen wir zuerst. Bezieht ein Nischenplayer 60–70 % der Erlöse von ein bis zwei Kunden, mag die Beziehung stark sein – die Exponierung kann jedoch das Investment rasch gefährden. Umgekehrt sind tiefe, „sticky“ Kundenbeziehungen ein Asset, wenn Verträge langfristig und Wechselkosten hoch sind.

Wie wichtig ist das regulatorische Umfeld in Nischen?

Ron Spicker: Kritisch. Nischen sind oft durch Regulierung definiert – Healthcare, Fintech, Environmental Services. Regulierung kann Eintrittsbarriere und Moat sein – sie kann sich aber auch schnell verschieben, besonders in Europa mit laufender Harmonisierung. Wer das ignoriert, erlebt nach dem Closing böse Überraschungen.

Welche Signale zeigen starke Eintrittsbarrieren?

Ron Spicker: Proprietäres Know-how, geschützte IP, spezialisierte Zertifizierungen und langfristige Kundenverträge sind starke Indikatoren. Auch Talentscarcity ist ein Faktor: Schwer replizierbare Expertise bildet eine natürliche Barriere. Zudem betrachten wir Ökosysteme – etwa ob Lieferanten und Kunden eng mit dem Unternehmen verflochten sind.

Wie bewertet man den Wettbewerb in einer Nische?

Ron Spicker: Wettbewerbslandschaften wirken in Nischen oft trügerisch ruhig. Unter der Oberfläche gibt es meist leistungsfähige „Hidden Champions“ – mittelständische, oft familiengeführte Firmen, die ihre Heimatmärkte dominieren. Im europäischen Nischenfeld der industriellen Filtration etwa haben lokale Player mit tiefem technischen Know-how globale Konzerne seit Jahrzehnten übertroffen. Um Dynamik wirklich zu verstehen, sollten Targets nicht nur mit internationalen Namen, sondern mit diesen etablierten Spezialisten gebenchmarkt werden – sie setzen oft den Takt bei Innovation und Kundentreue und sind der eigentliche Massstab für Wettbewerbsstärke.

Welche kulturellen/operativen Faktoren werden unterschätzt?

Ron Spicker: Talente und Kultur. Viele Nischen beruhen auf der Expertise weniger Spezialisten. Gehen sie im Übergang verloren, vernichtet das Wert. Operativ fehlen oft skalierbare Systeme – ERP, Compliance, Reporting. Integrationsplanung muss diese Lücken früh adressieren.

Wie beeinflusst ESG Nischen-Investments?

Ron Spicker: ESG ist nicht optional. In Waste-Management-Nischen beeinflusst ESG direkt Lizenzverlängerungen und Finanzierung. In Spezialchemie ist der CO₂-Fussabdruck ein kommerzieller Faktor. LPs erwarten messbare ESG-Verbesserungen – unabhängig von der Sektorgrösse.

Welche Value-Creation-Hebel funktionieren nach dem Erwerb?

Ron Spicker: Buy-and-Build ist oft der effektivste Hebel. In Healthcare Services hat die Konsolidierung kleiner Diagnostiklabore starke Renditen geliefert. Internationalisierung ist ein zweiter Weg: Viele Nischen-Champions sind lokal stark, aber international unterinvestiert. Schliesslich beschleunigt Digitalisierung – System-Upgrades, Data-Nutzung – Effizienz und Wachstum.

Welche typischen Fehler sehen Sie beim Einstieg in Nischenmärkte?

Ron Spicker: Überzahlen ist der grösste. Nischenstorys sind überzeugend und kompetitive Prozesse treiben Bewertungen. Auch die Annahme, eine Nische verhalte sich wie ein grosser Markt, ist gefährlich – die Dynamiken unterscheiden sich. Schliesslich wird oft nicht genug Sektortiefe aufgebaut – Nischeninvestments brauchen echte Expertise, nicht nur Financial Engineering.

Fazit

Ron Spicker erinnert uns klar: „Erfolgreiches Nischen-Investieren heisst nicht, das breiteste Netz zu werfen, sondern mehr zu wissen als alle anderen über den Zielmarkt.“

Für PE-Häuser in spezialisierten Sektoren liegt die Chance in der Tiefe, nicht in der Breite. Ob Skalierbarkeit, Regulierung oder Buy-and-Build-Wertschöpfung – Nischen belohnen jene, die finanzielle Disziplin mit echter Sektorexpertise verbinden.

P4i unterstützt genau dabei: von Markt-Mapping und Due Diligence bis Internationalisierung und Value-Creation-Plan. Wenn Sie ein Nischen-Investment in Healthcare, Fintech, Industrials oder anderen Spezialsektoren erwägen, helfen wir, Risiken zu bewerten, Wachstumshebel zu heben und langfristigen Wert aufzubauen.